Wenn man die weiten und zum Teil menschenleeren Strände in
Südthailand das erste Mal sieht, möchte man sich sofort ausziehen und
ins Wasser stürzen. Pech für alle, die weder Badeanzug noch Badehose
dabeihaben, denn große Schilder warnen den Besucher, sich anders als mit
vollständiger und angemessener Badebekleidung am Strand zu bewegen.
Mit dem Hinweis auf die Kultur im Lande wird sogar das Topless-Baden
untersagt, allerdings jetzt doch an vielen Stränden meist geduldet.
Der irritierte Besucher kommt nun gerade aus Bangkok, hat einen Zug
durch alle wichtigen Tempel am Tage und das Vergnügungsviertel in der
Nacht gemacht und fand letzteres überhaupt nicht prüde. Wieso sollte
hier plötzlich ein blanker Busen die Kultur durcheinander bringen?
Ich lebe nun schon eine Weile im Lande und will versuchen, etwas
Verständnis für die Mentalität seiner Bewohner zu wecken und dem
Besucher einige nützliche Hinweise geben.
เรียบร้อย riabroi - ordentlich angezogen
Nicht in jeder Sprache gibt es ein Wort für "ordentlich angezogen sein". Was das Wort เรียบร้อย angeht, so bedeutet es auch "fertig", hier im Sinne von fertig angezogen, sittsam und ausgehfertig.
Für Männer heißt das: Lange Hosen, Socken, geschlossene Schuhe, helles
Hemd ohne wilde Muster. Für normale Zwecke, also zur Arbeit, reicht eine
dunkle Hose und ein weißes Hemd völlig aus, nach Bedarf abgerundet mit
einer Kravatte. Hochoffizielle Anlässe erfordern das Tragen eines
Jackets, trotz der gängigen Temperaturen von ca. 30°C im Schatten.
Den Füßen wird im Gegensatz zum Kopf ein sehr "schmutziger" Status
zugewiesen, deshalb sind Sandalen ohne Socken eben nicht "riabroi".
Ein schlimmes Vergehen ist es, mit den Füßen auf etwas zu zeigen oder
gar eine wegrollende Münze wie anderswo üblich mit dem Fuß festhalten zu
wollen. Auf allen Münzen und Geldscheinen ist nämlich ein Bild des von
den Thais sehr verehrten Königs.
Die oben genannte männliche Bekleidung kann auch durch eine Uniform
ersetzt werden, das wird gern genutzt, weil es zwei entscheidende
Vorteile bietet: Uniformhemden sind meist kurzärmelig und man trägt
keine Kravatte.( eigentlich "Ein Tuch aus Kroatien/Hrvatska", das sich
die Soldaten vor 200 Jahren um den Hals banden ) Aufgerollte Ärmel
sind, wie sich der Leser schon denken kann, nicht "riabroi", so wird
der ansonsten ordentlich gekleidete Besucher des Königspalastes stets
aufgefordert, seine Ärmel bei Betreten der Anlage herabzurollen. Nicht
die blanken Arme sind das Ärgernis, sondern eben der unordentliche
Zustand der Kleidung.
Die Einzigen, die kurze Hosen tragen dürfen, sind Schulkinder bis zur
4.Klasse und Pfadfinder. Bei denen ist die kurze Hose Uniform, und
deswegen kann man gelegentlich auch erwachsene Pfadfinder mit kurzen
Hosen sehen.
Schuluniformen sind Pflicht, für Jungen und Mädchen. Das soll nach
englischem Vorbild Herkunft und Einkommensunterschiede nivellieren, tut
es aber natürlich nicht. Einen teueren Stoff erkennt man immer, und wer
arm ist, trägt eben abgewetzte Hosen und Röcke.
Wobei wir endlich bei der Damenbekleidung wären: Rock und Bluse als
Schuluniform, mit weißen Söckchen und Schuhen. Für die Damen, dazu
zähle ich mich ja nun auch, ist die Hose allerdings das Kleidungsstück
der Wahl, nur eben nicht zu offiziellen Anlässen. Eine Lehrerin hat auf
jeden Fall Rock und Bluse oder Kostüm zu tragen, und ganz wichtig, einen
Büstenhalter. Auch wenn es bei meinen Geschlechtsgenossinnen eigentlich
nicht viel zu halten gibt, der muß sein!
Auch nur die Andeutung einer Brustwarze unter dem Stoff eines Hemdes
qualifiziert die Trägerin als minderwertig ab, mit der Ausnahme von sehr
alten Frauen. Büstenhalter gibt es in Mengen überall zu kaufen, auch
auf dem Markt. Sobald ein Mädchen nicht mehr völlig platt ist, bekommt
es den ersten BH und trägt ihn auch mit Stolz.
Eine sehr schöne Vorschrift gib es seit noch nicht langer Zeit: an einem
Tag der Woche ist das Tragen traditioneller Kleidung in Firmen und
öffentlichen Einrichtungen erwünscht.
Männer haben wieder einmal nichts davon, denn das traditionelle
Kleidungsstück für den thailändischen Mann ist ein großes Stück Stoff,
wie ein überlanges Küchentuch, mit Namen Pakama, das um die Hüften
geschlungen wird. Nach Bedarf können die freien Enden zwischen den
Beinen durchgezogen und vorne verknotet werden, das ergibt dann eine Art
Hose. Das Ganze ist etwa knielang und wird aus von "assimilierten"
Ausländern gern im privaten Bereich getragen.
Ein Freund beschreibt das so: " wer auch immer die Hose für Männer
erfunden hat, gehört erschlagen! Seit ich diesen Pakama trage, nur im
Hause und im Garten natürlich, weiß ich endlich, wie sich die Griechen
und Römer gefühlt haben müssen. Nichts scheuert, nichts engt ein,
einfach herrlich. Ich falte den Pakama einmal in der Mitte, dann ist er
nur halb so breit, bedeckt gerade den Hintern. Vorn hängt das Ende etwas
tiefer herunter. Das ist dann zwar nicht so sittsam wie die originale
knielange Version, aber noch bequemer. Egal, wie heiß es ist, es ist
luftig darunter, man(n) möchte nie wieder eine Hose anziehen."
Ich kann das nachvollziehen, wenn ich an an das Gebaumel denke, das den Männern doch in einer Hose fürchterlich im Weg sein muß.
Aber weiter:
Frauen trugen früher ein ähnliches Kleidungsstück und oben herum nichts,
wie auf alten Gemälden schön zu sehen ist. Die Zeiten sind aber lange
vorbei, dafür gibt es aber entzückende, goldbestickte Wickelröcke mit
passenden Oberteilen, die nun wirklich "riabroi" sind. Der Rock reicht
bis zu den Knöcheln und liegt ebenso wie das Oberteil sehr eng an. Je
nach Anlaß trägt man diese traditionelle Kleidung eher schlicht und
einfarbig oder elegant und mit viel Gold.
Natürlich gelten alle diese Bekleidungssitten auch in ähnlicher Form für
die große Anzahl der Prostituierten in Thailand. Sicher sind die Röcke
sehr viel kürzer, die Blusen enger, aber ein Büstenhalter wird doch
immer getragen. Die Mädchen sitzen ja nicht wie in Amsterdam in ihren
erleuchteten Fenstern, sondern arbeiten in Bars, gehen zwischendurch
essen und mit den Freiern ins Hotel. Natürlich erkennt jemand, der schon
länger im Lande lebt, eine Prostituierte praktisch sofort und überall,
an der Kleidung, and der Art, wie sie sich bewegen.
Um aber wieder zum Thema zu kommen:
Auch die Mädchen, die nackt in den einschlägigen Etablissements tanzen,
würden am Tage niemals oben ohne an den Strand gehen. Hier schlägt die
von Kindesbeinen eingeübte Kultur zu, einen anständige Frau zeigt nicht
ihre Brüste oder gar mehr. Das Tanzen in den Bars ist gewissermaßen
eine
Ausnahmesituation zum Zwecke des Gelderwerbs.
Den Anblick ihres Körpers darf eigentlich nur der Ehemann genießen,
sonst niemand. Selbst im eigenen Haus wird nicht nackt herumgelaufen,
etwa vom Bad ins Schlafzimmer. Ich selber finde natürlich nichts
dabei, schon garnicht bei über 30 Grad im Schatten, und habe mein
Hausmädchen beim ersten Mal gehörig erschreckt, als ich nackt
zwischen Bad und meinem Zimmer unterwegs war, im Haus gibt es leider
oder zum Glück keine Aircondition.
Völlig undenkbar wäre es für Thailänderinnen, in eine öffentliche
Sauna zu gehen. Gibt es dort auch nicht, mit Ausnahme von einigen
modernen Gyms. Aber das sind reine Schwitzkästen, für Männer und Frauen
fein säuberlich getrennt.
Wenn ich mal erzähle, daß Männer und Frauen in Deutschland gemeinsam
unbekleidet duschen, schwitzen und schwimmen, werden selbst
erfahrene Ehefrauen knallrot und können sich kaum noch beruhigen. Das
Kichern nimmt kein Ende, wenn ich erzähle, daß die sich dann womöglich
auch noch gemeinsam, nackt und schamlos in eine Whirlpool setzen -
Jacuzzi heißt das hier und wird nur in Badekleidung benutzt.
Nackheit und Sex sind völlig untrennbar miteinander verbunden, das
bestätigt auch ein Blick in die Tagespresse. Thailand hat zwei große
englischsprachige Tageszeitungen und ein Dutzend thailändische. Dazu
kommen alle möglichen Magazine, die wöchentlich oder einmal im Monat
erscheinen.
Allen gemeinsam ist, das weder auf den Titelseiten noch im inneren ein
blanker Busen zu sehen ist, jedenfalls nicht bei den frei
verkäuflichen. Playboy und andere Magazine gibt es ganz hinten in den
klimatisierten Buchhandlungen, meist in Plastik eingeschweißt.
Wagt es dann mal eine Tageszeitung, ein unscharfes Bild einer Frau mit
unbedeckter Brust zu veröffentlichen, ist die Aufregung groß. Nicht
etwa, daß die Zeitung eingezogen würde, Thailand hat eine ziemlich
freie und mutige Presse, nein, der Aufschrei in den anderen Publikation
hallt noch Tage wieder. Von Gefährdung der Jugend ist die Rede,
moralischem Verfall und verwestlichten Sitten. Das eben die gleichen
Blätter täglich seitenlange Berichte über aufgedeckte
Korruptionsskandale bringen, deren moralische Verwerflichkeit ich
wesentlich höher einstufe, das tut nichts zur Sache. Daß die männliche
Jugend sich im Badehaus trifft, wird nicht erwähnt.
Aber wieder zurück zum Thema:
Abgesehen von einigen Inseln, die geschäftstüchige Thais für Nacktbader
anbieten, ist die Freikörperkultur kein Thema. Und wo sie nicht
erwünscht ist, sollte man sie auch nicht praktizieren, und wenn die
Strände noch so dazu einladen. Die erwähnten Inseln haben einen
schlechten Ruf, da würde ich persönlich nicht hinfahren. Ich habe mir
extra einige schicke Bikinis gekauft, um baden zu gehen ohne Anstoß zu
erregen. Hier für alle Freunde aber noch ein Strandfoto von mir. Jaa,
früher mußte man noch mit der Hand schreiben!
Gern würde ich auch, wie früher in Deutschland, nackt im Garten
herumlaufen, aber das ist natürlich völlig unmöglich. Nur im
Obergeschoß unseres Hauses geht das, weil niemand durch die mit
Fliegengitter versehenen Fenster hereinsehen kann. Dann sitze ich eben
wie von Gott geschaffen splitternackt am Klapprechner und schreibe
an meinem Roman, langsam dreht sich über mir der พัดลม patlom ("Luft schlagen") genannten Deckenventilator.
Den Roman "Josephine" findet ihr im Internet, als meinen
persönlichen Beitrag zum book-on-demand, also zum Herunterladen und
Drucken oder natürlich auch online Lesen.
Kommt überraschend Besuch, streife ich nur mein "Pasin" über, ein
dünnes Wickeltuch, das über den Brüsten zusammengesteckt wird und bis zu
den Knien reicht.
Für Freunde und Bekannte ist das eine völlig ausreichende Bekleidung im
Haus und im Garten, und sonst besucht mich eigentlich niemand. Zum
Ausgehen muß ich mich natürlich "ordentlich" anziehen.
Dieses ( oder dieser ? ) Pasin ist auch auf Reisen sehr nützlich, als
Umkleidekabine am Strand zum Beispiel. Einfach oben mit den Zähnen
festhalten, und schon kann man sich drunter bequem umziehen.
Die Frauen auf dem Lande schaffen es sogar, sich damit zu waschen.
Irgendwie werden Stoff und Körper gleichzeitig eingeseift und dann mit
viel Wasser aus einem Bottich abgespült. Nicht jeder hat schließlich ein
Badezimmer ......
Die Thais sind nicht nur ein sehr freundliches Volk, sondern auch ein
sehr reinliches. Einmal duschen am Tag ist das Mindeste, zweimal ist
besser. Das zweite Mal dann abends nach der Arbeit und vor dem Essen
gehen. Denn die Thais sind auch ein Volk von Feinschmeckern mit einer
hochstehenden Eßkultur. Die Hälfte der Leute ist immer am Essen, und die
andere Hälfte redet übers Essen.....